„COLOSSAL - Kunst Fakt Fiktion MMIX“

Wilfried Hagebölling schreibt zu seiner Arbeit am Iburgshof:

Die Arbeit zentriert sich in der Landschaft und den Betrachter und die Landschaft in sich – konzentriert und dezentriert in einem. Ihre beiden Grundachsen weisen in die vier Himmelsrichtungen. Es ist nicht nur das Auge des Betrachters gefordert, er wird zum Akteur, indem er durch Bewegung der Stahlplatten Teile der Landschaft und der Hofgebäude ein- und ausblenden kann. Sinnliche Erfahrungen kommen ins Spiel, Nähe und Ferne, Statik und Dynamik, Öffnen und Blockieren.

ohne Titel, 1971/2009
Stahl, Höhe 3 m
Iburgshof
Bremer Str. 199, Belm-Vehrte
(nahe Osnabrück)

  (Foto: Gunter Held)
Jan Hoet zum Konzept der Ausstellung:

In der Schule haben wir in Geschichte immer nur die Daten der Kriege gelernt: Auf eine Schlacht folgte die nächste. So ging das immer weiter. Daran wird klar, dass es das schwierigste ist, eine Perspektive für die Zukunft zu finden. Lange Zeit hat man vieles erfunden, bis alles so passte, wie man es für die große Erzählung vom Nationalstaat brauchte. Eigentlich ist dieses Thema ein großes Observatorium zur Beobachtung der Gesellschaft. Die Kunst steht mitten in dieser paradoxen Verbindung von Subjektivität und Objektivität.
(s.o.)
Ich wollte für die Ausstellung einen Perspektivwechsel. Es geht nicht mehr um ein einzelnes Denkmal, sondern um das Nachdenken - um die vielen Perspektiven auf die Geschichte und unsere Gesellschaft. Das ganze Thema Varusschlacht hat so eine lange Tradition in Deutschland, dass man es schon gar nicht mehr richtig sehen kann. Alles ist verstellt, weil jeder weiß, wie es gewesen war - auch wenn keiner der Zeitzeugen es jemals beschrieben hat.
Abu-Ghureib 2003/2004
Friedrich von Spee 1631/1632
2004

Villa Schlikker
Felix-Nußbaum-Haus
Heger-Tor-Wall 27, Osnabrück
„Kunst ist öfter wie ein Brennglas, das uns hilft, die Dinge deutlicher zu sehen. Wilfried Hageböllings Rekonstruktion einer Zelle aus dem Gefängnis Abu Ghureib veranschaulicht die Unmenschlichkeit dessen, was dort geschehen ist, ohne die Bilder zu wiederholen, die durch die Presse gingen. Die Zelle vor unseren Augen lässt alles real werden, realer als die Fotos es je waren. Und sie ist ein Mahnmal: in einem Land, in dem staatliche Willkür, Brutalität gegenüber Gefangenen und Folter zur jüngeren Vergangenheit gehören, ist es durchaus angebracht, immer wieder zu mahnen, dass solches nie wieder passieren darf.
Dass der Künstler die Wirkungsstätte des Friedrich Spee, des Verfassers der „Cautio Criminalis“ – und damit einer der ersten, die gegen den Gebrauch der Folter zur Erzwingung von Geständnissen bei Hexenprozessen vorgingen – für die erste Aufstellung seiner Skulptur wählte, kann auch als ein Zeichen der Hoffnung angesehen werden. Immerhin bezeichnet das Buch Friedrich Spees den Anfang vom Ende der Hexenprozesse.“


(Norbert Nobis, 2009)

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